Im Halbschlaf durch Berlin

Charlotte ist fast 30, ein klein wenig zu dick und war im Schulsport immer die Letzte. Laufen? Nix da. Doch jetzt hat sie ein großes Ziel: Von Null auf 21,1 Kilometer in vier Monaten. Auf Achim-Achilles.de schreibt sie, wie sie das schaffen will.

Geht nicht, gibt's nicht. Jedenfalls nicht kurz vor dem großen Tag: der Berliner Halbmarathon am Sonntag. Wer tagsüber wie ich zu beschäftigt ist, muss Alternativen suchen. Also quäle ich mich um kurz nach drei Uhr nachts aus dem Bett und schlüpfe in die Laufschuhe. Pünktlich um halb vier laufe ich dick eingepackt in Berlin-Wedding die Straßen entlang. Ungläubige Gesichter lugen hinter Dönerbudenfenstern hervor. "Die joggt? Jetzt?"

Während im Wedding noch ein paar Taxen unterwegs sind, ist in Prenzlauer Berg niemand. Die Ampeln leuchten zu ihrer eigenen Unterhaltung, es ist still, bis auf ein paar Vögel, die zwitschern. Keine Abgase – ich atme tatsächlich Sauerstoff. Die einzigen Autos die ich sehe, parken.

In Berlin-Mitte stehen Bargäste vor Bars herum und glotzen mich an. In der rechten Hand das Bier, in der Linken die Kippe. Ich bin weg, bevor sie mir etwas bierseliges zurufen.

Am Hackeschen Markt renne ich durch eine Gruppe Russen. Sie zeigen auf mich, fangen laut an zu lachen und rufen sich gegenseitig etwas zu. Ich verstehe nur das Wort "Jogging". Gerne würde ich etwas schlagfertiges erwidern, doch alles was ich auf russisch sagen kann ist:

Ich liebe dich
Ich liebe dich nicht
Ich liebe dich auch
Sie wäscht den ganzen Tag Kartoffeln
Freitag
Auf Wiedersehen

Ich laufe einfach weiter.

Am S-Bahnhof Friedrichstraße essen die Nachteulen Currywurst und Pommes. Ein Straßenfeger ist der Erste, der mich freundlich grüßt. Am Brandenburger Tor fängt es an zu regnen. Wachpersonal und Polizisten grüßen nickend. Nach einer Stunde komme ich im Tiergarten an. Es ist halb fünf Uhr und immer noch stockdunkel.

Ich schaffe im Halbschlaf vier Bezirke. Allmählich kann er kommen, dieser Halbmarathon. Aber nach der Geschwindigkeit sollte besser niemand fragen.

Bis nächste Woche,
Charlotte


Ich habe den Text bei Achim Achilles geklaut und hoffe, Charlotte verzeiht mir das.